1929–1951
Die in diesem Bande veröffentlichte Auswahl aus Hermann Brochs Briefen stellt einen unerläßlichen Kommentar zu seinen Schriften dar. Die Briefe gewähren Einblick in den Entstehungsprozeß seiner Werke, und der Leser wird durch eingehende theoretische Darlegungen vom Dichter selbst in ihren Problemkreis und ihre künstlerischen Tendenzen eingeführt. Berechtigung und Aufgabe des Dichterberufes in der gegenwärtigen Zeit ist der Fragenkomplex, der Broch dauernd beschäftigt hat. Das Bedürfnis, sich als Dichter zu verantworten und seinen erstrebten‚ Standort zu umzeichnen, veranlaßte ihn zu zahlreichen literar- wie zeitkritischen Erörterungen in seinen Briefen. Sie sind zugleich ein Spiegel des Zeitgeschehens und der zeitgenössischen Literatur, wodurch ihnen weit über den Kreis des persönlichen Lebenslaufs und dichterischen Werkbereichs im engeren Sinn hinaus eine große Bedeutung zukommt. Zudem sind sie als Ergänzung zu den nur fragmentarisch vorhandenen erkenntnistheoretischen Schriften besonders wertvoll. Über das werkgeschichtliche und literarkritische Interesse hinaus haben die Briefe aber auch hohen Wert als Dokumente menschlicher Größe. Sie sind – und darin besteht ein wesentlicher Teil ihrer besonderen Anziehungskraft – echte, nicht zur Veröffentlichung bestimmte Zwiegespräche des Dichters mit Freunden und Zeitgenossen, denen er sich im Sterben verwandt fühlte. Mehr als über die biographischen Stationen seines Lebens – Industrieller, Dichter, Emigrant, Philosoph und Sozialwissenschaftler –, die Broch selber für nebensächlich hielt, geben die Briefe Zeugnis von einer überragenden geistigen Persönlichkeit.