Chas Maistriv
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View Rights PortalSo wie für Lawrence Durrell das alte Alexandria die Hauptstadt der Erinnerung war, ist für Elias Khoury das wiederaufgebaute Beirut die Hauptstadt der Amnesie. Yalo, der aus einer christlich-syrianischen Familie stammt, wächst in Beirut auf. Jung gerät er in eine der Milizen des Krieges. Nach dessen Ende wird er Wächter eines Waffenhändlers. In den Hügeln außerhalb Beiruts überfällt er nächtens Liebespaare, raubt und vergewaltigt – und verliebt sich in eines seiner Opfer, Shirin. Sie zeigt ihn an. Er wird festgenommen und gefoltert. Man zwingt ihn, sein Leben aufzuschreiben, immer neu, denn nie sind die Folterer zufrieden – selbst wenn er zugibt und ausmalt, was er gar nicht getan hat. So gerät Yalo außer sich. Im Schmerz trennt er sich von seinem Körper und erfindet sich im Geist. Mit jeder neuen Fassung verändert sich die Beschreibung, sie reichert sich an, sie franst aus, verschmutzt, färbt sich, oszilliert, sie nimmt ein Sprach- und Eigenleben an: Yalo – ein libanesisches Leben in Zeiten des Kriegs und Nachkriegs. Elias Khourys sprachmächtiger Roman erzeugt – mitreißend und erkenntnisstiftend zugleich – einen Taumel.
Elias Khoury ist einer der tonangebenden Schriftsteller und Intellektuellen der arabischen Welt. Welche Geschichten, fragen seine Bücher, sind ans Licht zu holen, wenn es um die Entstehung des palästinensisch-israelischen Konflikts geht? Mit welchem Gebirge aus Leid, Schmerz und Gewalt muß es eine „Friedensordnung“ für den Nahen Osten aufnehmen? Khourys neuer Roman führt zurück in die 1940er Jahre, die Zeit vor der palästinensischen Niederlage und der Gründung des Staates Israel. Er erzählt von der Liebe zwischen dem Palästinenser Mansur und der „traumbegabten“ Libanesin Milia. Nach der Heirat ziehen die beiden nach Nazareth. Als Mansurs Bruder Amin, der gegen die jüdische Einwanderung gekämpft hat, getötet wird, muß Mansur seine Rolle übernehmen. Milia hat Angst, Angst um ihn, Angst um ihr Kind. Sie ist schwanger. Bei der Geburt am 24. Dezember 1947 stirbt sie, indem sie aus ihrem letzten Traum nicht mehr erwacht – ein Traum, der sie noch sehen läßt, wie Mansur mit dem Säugling aus dem brennenden Jaffa auf ein griechisches Schiff flieht.
Der erste der beiden neuen Bände der Gesammelten Schriften enthält neben Elias’ autobiographischen »Notizen zum Lebenslauf« vierzehn ausgewählte Interviews und Gespräche aus einem Zeitraum von nahezu zwanzig Jahren (1970–1989). Darunter sind wissenschaftliche Gespräche ebenso wie journalistische Interviews etwa für Le Monde oder Der Spiegel; ferner bietet die beigelegte CD Auszüge aus dem legendären WDR-Rundfunkinterview mit Carmen Thomas. Elias’ ungewöhnliche Präsenz als Gesprächspartner sowie die große Bandbreite der besprochenen Themen und Erfahrungen machen diese Dokumente zu einem dichten, lebendigen Querschnitt durch das Leben und Denken des großen Soziologen. Der Band ist daher auch als Einführungslektüre besonders geeignet.
Dieser Materialienband möchte zur Verbreiterung und Intensivierung der Auseinandersetzung mit dem soziologischen Arbeitsprogramm von Norbert Elias beitragen. Die in ihm enthaltenen Beiträge zeigen u. a., daß für die Untersuchung langfristiger gesellschaftlicher Entwicklungen und die Struktur ungeplanter Prozesse in der Zivilisationstheorie von Norbert Elias eine fruchtbare Ausgangsposition vorliegt.
Der erste Teil des Bandes, der Schröters Arbeiten über Elias und die Zivilisationstheorie enthält, befaßt sich mit Wandlungen der Regulation des Sexualverhaltens vom 13. bis 16. Jahrhundert. Im Zentrum steht der Zusammenhang von Staatsbildung und Triebkontrolle. Gegenüber der voreingenommenen Kritik von Hans Peter Duerr verteidigt Schröter das Modell einer Abfolge verschiedener Muster der Verhaltensregulierung im Sinne eines Zivilisationsprozesses. Drei Kurzartikel über Ehe, Vaterliebe und Abtreibungsverbot nutzen dieselbe Entwicklungsperspektive für das Verständnis heutiger Vorgänge. Im zweiten Teil verarbeitet Schröter die persönlichen Beobachtungen, die er in vierzehn Jahren der Zusammenarbeit mit Elias als dessen deutscher Übersetzer und Herausgeber gemacht hat.
Der 1970 erstmals erschienene Band Was ist Soziologie? ist neben den Bänden zum Prozeß der Zivilisation der meistrezipierte Text von Norbert Elias. In ihm führt Elias in die grundlegenden Perspektiven und in entscheidende Etappen der Geschichte der Soziologie ein. Hier formuliert er zentrale Begriffe seiner Prozeßsoziologie wie »Figuration«, »Figurationswandel«, »Prozeßmodell« und »Spielmodelle« und erörtert die Aufgabe des Soziologen als eines »Mythenjägers«. Soziologie, so Elias, ermöglicht einen Zugang zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, der distanzierter, weniger gefühlsbetont und den eigenen Zwängen weniger verhaftet ist, als dies beim »Alltagsmenschen « der Fall ist. Die Neuausgabe dieses klassischen Textes innerhalb der Edition der Gesammelten Schriften komplettiert den bekannten Text von 1970 um hier erstmals veröffentlichte Texte, die Bestandteil der ursprünglichen Fassung waren. Es handelt sich dabei um das Kapitel Über die Entdeckung des Gegenstandes der Soziologie und das Kapitel über Karl Marx. Die Spannung zwischen Ideologie und Wissenschaft, so zeigt Elias detailliert am Beispiel von Marx, ist nicht nur eine Sache der Rezipienten, sondern auch des Autors selbst. Um so wichtiger ist es, so Elias’ wissenschaftssoziologische Maxime, sich einem klassischen Autor weder rein systematisch noch rein historisch, sondern innerhalb eines Entwicklungsmodells zu nähern.
Die Soziologie des 20. Jahrhunderts hat die langfristigen Transformationen der Gesellschafts- und Persönlichkeitsstukturen weitgehend aus den Augen ver-loren. Im Werk von Norbert Elias sind gerade diese langfristigen Prozesse das zentrale Thema: Wie ging eigentlich die »Zivilisation« im Abendlande vor sich? Worin bestand sie? Und welches waren ihre Antriebe, ihre Ursachen oder Motoren? Bei Elias' Arbeit handelt es sich weder um eine Untersuchung über eine »Evolution« im Sinne des 19. Jahrhunderts noch um eine Untersuchung über einen unspezifischen »sozialen Wandel« im Sinne des 20.; seine Arbeit ist grundlegend für eine undogmatische, empirisch fundierte soziologische Theorie sozialer Prozesse. Die Kassette beinhaltet Band 1 (Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes) und Band 2 (Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation).
Anläßlich des Vorabdrucks dieser »Soziologie eines Genies« hieß es in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«: »... ein überaus lesbares Buch, in dem Elias mit erzählerischer Anschaulichkeit Antworten gibt auf die Frage, wie ›das Genie Mozart‹ zustande kommen konnte. Er erhellt die inneren Antriebe und die äußeren Einflüsse: die Beziehung zum Vater, das nie gestillte Liebesbedürfnis, das Ringen um Anerkennung und die Konflikte eines bürgerlichen Künstlers in einer höfischen Gesellschaft, der sich dem Verhaltenskanon und den Schaffenszwängen eines angestellten Hofmusikers nicht unterwerfen will. Vor allem anhand der Jahre um 1781 zeigt Elias die sozialen Konflikte eines Genies in einer Gesellschaft, die den Geniebegriff noch nicht kannte.«
»Dieses Buch«, schreibt Norbert Elias in seinem Vorwort, »beschäftigt sich mit dem, worauf sich die Begriffe ›Individuum‹ und ›Gesellschaft‹ in ihrer gegenwärtigen Form beziehen, also mit bestimmten Aspekten von Menschen. Es bietet Werkzeuge zum Nachdenken und zu Beobachtungen über Menschen an. Einige von ihnen sind recht neu.« Seine Grundthese besagt, daß man zwischen der Gesellschaft und den Individuen nicht sinnvoll trennen kann. In drei Beiträgen aus den 30er, 50er und 80er Jahren bietet Elias mit seiner prozeßorientierten Theorie eine Gesamtperspektive, bei der die Gesellschaft aus Individuen gebildet wird und die Persönlichkeit des einzelnen im Verlauf der lebensgeschichtlichen Erfahrungen entsteht.
Einmalige Sonderausgabe
1991 erschien erstmals das Buch des großen Soziologen Norbert Elias über Wolfgang Amadeus Mozart. Damals schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung: »... ein überaus lesbares Buch, in dem Elias mit erzählerischer Anschaulichkeit Antworten gibt auf die Frage, wie ›das Genie Mozart‹ zustande kommen konnte. Er erhellt die inneren Antriebe und die äußeren Einflüsse: die Beziehung zum Vater, das nie gestillte Liebesbedürfnis, das Ringen um Anerkennung und die Konflikte eines bürgerlichen Künstlers in einer höfischen Gesellschaft, der sich dem Verhaltenskanon und den Schaffenszwängen eines angestellten Hofmusikers nicht unterwerfen will. Vor allem anhand der Jahre um 1781 zeigt Elias die sozialen Konflikte eines Genies in einer Gesellschaft, die den Geniebegriff noch nicht kannte.« Anläßlich der Neuausgabe innerhalb der Gesammelten Schriften wurde der Text neu durchgesehen und um einen aktuellen editorischen Bericht ergänzt. Ein detailliertes Sach- und Personenregister erschließt den Text und ermöglicht ein schnelles Auffinden der zentralen Kategorien und Namen.
Norbert Elias (1897-1990) wurde am 22. Juni 1897 in Breslau geboren, wo er auch seine Kindheit verbrachte und nach dem 1. Weltkrieg Medizin und Philosophie studierte. Er promovierte bei Richard Hönigswald, wechselte bald zur Soziologie und wurde »inoffizieller Assistent« bei Karl Mannheim. 1933 floh er aus Deutschland über Paris nach England. Von 1954 bis 1962 war er Dozent für Soziologie an der Universität von Leicester, ab 1965 nahm er verschiedene Gastprofessuren unter anderem in Deutschland wahr; größere Anerkennung setzte hier aber erst mit der breiten Rezeption von Über den Prozeß der Zivilisation ein. 1977 erhielt er den Theodor W. Adorno-Preis der Stadt Frankfurt am Main. Ab 1984 ließ er sich dauerhaft in Amsterdam nieder, wo er am 1. August 1990 starb.
Was wir »Zeit« nennen, ist weder eine apriorische Gegebenheit der Menschennatur noch eine immanente Eigentümlichkeit der nicht- menschlichen, Natur, sondern ist Ausdruck einer menschlichen Syntheseleistung. Der Begriff »Zeit« wird von Elias zunächst der Verdinglichung entkleidet, die ihm in unserem substantivischen Sprachgebrauch anhaftet, und als symbolischer Repräsentant einer Tätigkeit, der sozialen Tätigkeit des Zeitbestimmens, erwiesen. »Das Wort 'Zeit', so könnte man sagen, ist ein Symbol für eine Beziehung, die eine Menschengruppe, also eine Gruppe von Lebewesen mit der biologisch gegebenen Fähigkeit zur Erinnerung und zur Synthese, zwischen zwei oder mehreren Geschehensabläufen herstellt, von denen sie einen als Bezugsrahmen oder Maßstab für den oder die anderen standardisiert.« Als Geschehensabläufe dieser Art, die gleichsam Meilensteine in den kontinuierlichen Fluß der Ereignisse hineinbauen, dienen in früheren Gesellschaften Regelmäßigkeiten der nicht-menschlichen Natur wie die Bewegungen von Sonne und Mond. Später treten an deren Stelle zunehmend men-schengeschaffene Instrumente, wie z. B. Uhren und Kalender. Elias veranschaulicht seine vielfältigen überlegungen zum Thema »Zeit« durch eine Fülle von Beispielen aus Gesellschaften verschiedener Entwicklungsstufen. Immer wieder bieten sie ihm auch Anlaß für Ausblicke allgemeiner Art. Nicht zuletzt dient diese Studie Elias als Beispiel für die Schwierigkeiten der Weiterentwicklung menschlicher Orientierungsmittel oder Symbole zu einer höheren Synthese-Ebene, die er an der Entwicklung verschiedener Zeitbegriffe herausgearbeitet hat.
In dieser Neuausgabe, die um die 70seitige Einleitung zur englischen Ausgabe von 1987 erweitert ist, geht es Elias um die Diagnose und Überwindung der grundlegenden Schwierigkeiten, die wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Soziologie oder der Menschenwissenschaften bisher entscheidend behindern: des eigenen emotionalen Anteils der Forscher an ihren Untersuchungsgegenständen, der sich auf ihre Modelle auswirkt, und der Dominanz der Naturwissenschaften bei der Frage dessen, was als Wissenschaft gelten soll. Die Besonderheiten gesellschaftlicher Zusammenhänge können so nicht adäquat erfaßt werden.Deshalb entwickelt Elias ein Modell der Gegenstandstypen verschiedener Wissenschaften. Das natürlich-soziale Universum baut sich auf aus verschiedenen Integrationsebenen, auf denen jeweils zusammensetzende Einheiten lockerer oder fester und dann auf mehr und mehr Ebenen zu einer zusammengesetzten Einheit aneinandergebunden sind. Die Soziologie wird ihre Aufgabe als Orientierungsmittel in praktischen Fragen nur erfüllen können, so Elias, wenn sie ihrem Gegenstandsbereich angemessene Modelle und die entsprechenden Methoden entwickelt. Bislang erschienen Band 1: FrühschriftenBand 2: Die höfische GesellschaftBand 3.1 und 3.2: Über den Prozeß der ZivilisationBand 4: Etablierte und AußenseiterBand 6: Über die Einsamkeit der SterbendenHumana conditioBand 7: Sport und Spannung im Prozeß der Zivilisation (mit Eric Dunning)Band 10: Die Gesellschaft der IndividuenBand 13: Symboltheorie
Es wäre eine schöne Aufgabe, schreibt Norbert Elias, »die Biographie einer Staatsgesellschaft zu schreiben. Denn wie in der Entwicklung eines Einzelmenschen Erfahrungen einer früheren Zeit in der jeweiligen Gegenwart fortwirken, so auch in der Entwicklung einer Nation. Die Studien über die Deutschen versammeln den Großteil seiner eigenen Beiträge zu einer solchen »Biographie« Deutschlands, jeweils konzentriert auf die wilhelminische Gesellschaft, die Weimarer Republik, den Hitlerstaat und die Bundesrepublik.Charakteristisch für den Autor von über den Prozeß der Zivilisation ist auch hier die Zusammenschau von Vorgängen der Staatsbildung und der Bildung sozialer Persönlichkeitstrukturen der Individuen. Der Blick für die Besonderheiten deutscher Entwicklungen wird geschärft durch Vergleiche mit Entwicklungen in anderen Ländern. Durchweg bemüht ich Elias, die jeweils beobachteten Gegebenheiten im Kontext sowohl langfristiger Prozesse als auch der Machtverhältnisse verschiedener Gruppen innerhalb der Gesellschaft zu sehen. Innerstaatliche werden in der Verflochtenheit mit zwischenstaatlichen Ereignissen analysiert. Immer wieder bewegt sich die Gedankenführung hin und her zwischen den Ebenen der empirischen Detailuntersuchung und der theoretischen Reflexion. Jeder einzelne der Beiträge ist so ein Zeugis für das hohe Syntheseniveau des Eliasschen Denkens.Wenn man nach einem gemeinsamen Grundmotiv in all diesen Beiträgen sucht, so findet man es vielleicht in der Frage nach den spezifisch deutschen Traditionen, die den Ausbruch der Barbarei in der Nation von Goethe, Schiller und Kant möglich gemacht haben (und wieder möglich machen könnten).
Die Soziologie des 20. Jahrhunderts hat die langfristigen Transformationen der Gesellschafts- und Persönlichkeitsstrukturen weitgehend aus den Augen verloren. Im Werk von Norbert Elias sind gerade diese langfristigen Prozesse das zentrale Thema: Wie ging weinerliche die »Zivilisation« im Abendlande vor sich? Worin bestand sie? Und welches waren ihre Antriebe, ihre Ursachen oder Motoren? Beil Elias‘ Arbeit handelt es sich weder um eine Untersuchung über eine »Evolution« im Sinne des 19. Jahrhunderts noch um eine Untersuchung über einen unspezifischen »sozialen Wandel« im Sinne des 20.; seine Arbeit ist grundlegend für eine undogmatische, empirisch fundierte soziologische Theorie sozialer Prozesse. Norbert Elias, 1897 in Breslau geboren, 1933 emigriert (Paris/England), starb 1990 in Amsterdam.
Die Symboltheorie ist das letzte Werk, das Norbert Elias fertigstellen konnte; es erscheint hier zum ersten Mal auf deutsch. Die Symboltheorie entwirft eine empirische interdisziplinäre Wissenschaft, die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie mit solchen der Linguistik und der Soziologie menschlicher Wissensentwicklung verknüpft. Das empirische Studium der gesellschaftlichen Verwendung von Symbolen als Kommunikations- und Orientierungsmittel soll an die Stelle einer unfruchtbaren Spekulation treten, die in Dualismen wie Natur/Kultur, Subjekt/ Objekt oder Idealismus/Materialismus verharrt.