Peter Lang Group
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View Rights PortalMax Weber gilt heute vielen als der bedeutendste Kultur- und Sozialwissenschaftler überhaupt, das Genie mit eigener Briefmarke ist weltweit in aller Munde. Warum? Was macht seine Größe aus? Wie hat er es in seiner Disziplin auf ein Niveau gebracht, das mit dem Goethes in der Literatur und Kants in der Philosophie vergleichbar ist? Zu Webers 100. Todestag begibt sich Hans-Peter Müller auf die Spurensuche nach der Botschaft des herausragenden Soziologen und stellt fest: Seine Genealogie der Moderne lässt uns begreifen, wie wir wurden, was wir sind – warum die von Weber beschriebenen Probleme des Kapitalismus, der Demokratie und des Individualismus also auch heute noch die unsrigen sind. Mit anderen Worten: Wer Weber liest, wird sein Leben in der Moderne besser verstehen.
Die heute im wesentlichen anerkannte Theorie der Zivilisation behauptet, daß die Menschen des Mittelalters, aber auch die Angehörigen der sogenannten primitiven Kulturen, im Vergleich zu uns Heutigen ihre Triebe und Affekte wenig gebunden oder geregelt hätten, daß in diesen Gesellschaften der Triebverzicht niedrig, die Mäßigung der Gefühle und Gefühlsäußerungen unerheblich gewesen sei. So heißt es, man habe einem Erwachsenen nicht sehr viel mehr Zurückhaltung abverlangt als einem Kind, weshalb uns heute ein mittelalterlicher Bauer oder eine Buschfrau aus der Kalahari zu Recht kindlich, einfältig, roh oder naiv erscheinen. Nacktheit, Sexualität, Defäkation, Körpergeräusche, Körpergeruch usw. seien bei einem solchen Menschen öffentlicher und ungleich weniger schambesetzt gewesen. Im Zuge der zunehmenden Arbeitsteilung der Menschen I sei nun deren soziale Verflechtung intensiver, die Abhängigkeit voneinander größer geworden, so daß es vorteilhaft wurde, die Affekte zu mäßigen, sie nicht mehr unmittelbar auszuleben, sie vielmehr hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens, in c einen Privatbereich zu verbannen. Inzwischen seien wir von einem stabilen Panzer aus Vorschriften und Regelungen umgeben, der deshalb kaum spürbar sei, weil wir die Fremdzwänge vorheriger Zeiten in Eigenzwänge verwandelt hätten, so daß sie uns quasi natürlich erschienen. Aber auch angebliche Lockerungen und Befreiungen, wie etwa die gegenwärtigen Tendenzen zum Nacktbaden oder zum „Oben ohne“, seien nur scheinbare Informalisierungen. Solche „Liberalisierungen“ seien nämlich nur möglich, weil der hohe Standard von Triebgebundenheit völlig gesichert sei. Hans Peter Duerr führt nun den Nachweis, daß diese Zivilisationstheorie falsch ist, daß sie weder den fremden Völkern noch unserer eigenen Vergangenheit gerecht wird. Er zeigt, daß der Mythos vom Zivilisationsprozeß identisch ist mit der Ideologie, die herangezogen wurde, um den Kolonialismus zu rechtfertigen, insoweit dieser behauptete, es gehe den europäischen Nationen darum, noch unentwickelte, unzivilisierte Menschen, die sich kaum von Kindern unterschieden, zu Zivilisierten, zu Erwachsenen zu machen. Duerr vertritt die These, die soziale Verflechtung und damit die soziale Kontrolle sei in „traditionellen“ Gesellschaften wesentlich größer und intensiver als in modernen, und entsprechend sei auch das Bedürfnis nach Initimität, nach einer Privatsphäre, größer. Da in solchen kleinen, überschaubaren „face to face“-Gesellschaften Privatheit freilich nicht durch materiale Wände herstellbar war und ist, hat man für das Auge unsichtbare Wände errichtet, die alles das gegenüber dem Blick des anderen absichern, was bei uns immer noch eher physisch ausgesondert wird. So wird z.B. der nackte Leib - der, entgegen dem, was viele Wissenschaftler sagen, allemal sexuell wirkt - häufig mit einer Art „Phantomkleidung“ bedeckt, indem man dazu erzogen wird, entweder von dem anderen den Blick abzuwenden oder durch ihn „hindurchzusehen“. Aber auch für unsere Gesellschaften läßt sich, so Duerr, eine Zunahme der Zivilisation, also eine Internalisierung gesellschaftlicher Regeln, nicht nachweisen. Um dies zu belegen, unternimmt der Autor eine Neubewertung (die bei ihm zu einem Neu-Erzählen wird) der Quellen, auf denen die gängig Zivilisationstheorie basiert. Ausgehend von der Kritik an der herrschenden Zivilisationstheorie, entwickelt Hans Peter Duerr eine Kulturgeschichte und Ethnologie der sexuellen Scham und Schicklichkeit, die nicht nur die abendländische Geschichte seit ihren nachvollziehbaren Anfängen, sondern auch jene Völker miteinbezieht, die an der Peripherie der sogenannten Hochkulturen gelebt haben. Er begründet die Vermutung, daß es zumindest innerhalb der letzten vierzigtausend Jahre weder Wilde noch Naturvölker, weder Primitive noch unzivilisierte Völker gegeben hat.
Für diesen ersten Band (der zweite erscheint im Februar 1981) zur Philosophie Paul Feyerabends hat Hans Peter Duerr Beiträge versammelt, die der Person Feyerabend und den gesellschaftlichen Aspekten sein Wissenschaftskritik nachgehen. Sie alle lassen sich - kritisch, kommentierend, ironisch - auf die Versuchung des Anything goes ein.
Hans Peter Duerr, geboren 1943 in Mannheim, war bis 2005 Professor für Ethnologie und Kulturgeschichte in Bremen. Er lebt in Mannheim und Heidelberg.
Sogenannte Nahtod-Erfahrungen und Seelenreisen hat man mit einigem Recht als das größte ungelöste Rätsel der Bewußtseinsforschung bezeichnet. Und in der Tat sind bislang sämtliche philosophischen, neurologischen oder psychiatrisch-psychologischen Erklärungsversuche gescheitert – um die esoterischen Ansätze gar nicht zu erwähnen. Im Gegensatz zu metaphysisch-spiritistischen Spekulationen über einen »Austritt« des Bewußtseins oder der Seele aus dem Körper erklärt Hans Peter Duerr Nahtod-Erfahrungen auf »naturalistische« Weise als eigentümliche und äußerst komplexe Halluzination. Ihr Wirklichkeitscharakter ist einzigartig. Der bekannte Philosoph und Ethnologe Hans Peter Duerr hat alle zugänglichen Quellen über Nahtod-Erfahrungen und Seelenreisen von den Anfängen der Überlieferung bis in die Gegenwart dokumentiert und analysiert. Damit gelingt ihm ein leicht verständlicher, erhellender Überblick über Interpretationen und Meinungen zu dieser besonderen Erfahrung. Jenseits von Esoterik und dogmatischem wissenschaftlichem Rationalismus erhält ein häufig auftretendes und meist unverstandenes Phänomen eine überzeugende Erklärung.
Hans Peter Duerr entwickelt in diesem Buch Gedanken zur Begründung der Erkenntnis, zu den angeblichen logischen Paradoxien, zur Skepsis, zur Struktur des Selbstbewußtseins, zum Leib-Seele-Problem, zu den verschiedenen materialistischen Bewußtseinstheorien sowie zum Problem der sog. gesellschaftlichen Totalität.
Die sensationelle Entdeckung eines sagenumwobenen Ortes Rungholt gehört, neben Vineta, zu jenen im Meer versunkenen Städten, die seit Jahrhunderten die Phantasie der volkstümlichen Erzähler, Literaten und Wissenschaftler beschäftigen. Von Rungholt stand bis zum Beginn der Forschungen des Ethnologen Hans Peter Duerr nicht viel mehr fest, als daß es in einer Sturmflut des Jahres 1362 versunken war. Der Ethnologe erzählt in diesem Buch, wie er Rungholt lokalisierte und zu welch unglaublicher Entdeckung seine Studenten und er gelangten: Mitten im nordfriesischen Wattenmeer liegen die Überreste einer vorgeschichtlichen Stadt, die später unter dem Namen Rungholt zu einem Handelszentrum des Nordens aufstieg, bis sie in der Marcellusnacht 1362 unterging. Als Hans Peter Duerr im Sommer des Jahres 1992 mit seiner Familie ein Ferienhaus auf der nordfriesischen Insel Nordstrand bezieht, sieht er an einer Wand das Faksimile der Landkarte des Husumer Geographen Johannes Mejer: »Abriss Von Rungholte Und Seinen Kirchspielen Anno 1240«. Im Frühjahr 1994 mietet er ein altes Segelschiff, mit dem er und 23 Studenten und Mitarbeiter der Universität Bremen sich an der besagten Stelle im Watt zwischen Nordstrand und Pellworm trockenfallen lassen. In den folgenden zehn Jahren setzen sie ihre Recherchen fort. Sie stoßen unter anderem auf die Überbleibsel der aus Tuff- und Ziegelsteinen errichteten Stiftskirche Rungholts. Und eines Tages finden sie sich mit den Resten einer weit älteren Siedlung konfrontiert und machen einen unerwarteten Fund, der den Schluß erlaubt, daß die Nordseeküste – und damit Deutschland – nicht erst im 4. Jahrhundert v. Chr. von Pytheas von Massilia, sondern bereits tausend Jahre früher entdeckt worden ist.
Ein mittlerweile berühmt gewordenes Kultbuch. (Weltwoche) Hans Peter Duerr hat mit diesem Buch Maßstäbe gesetzt für ein Denken, das sich in Gegensatz zur abendländischen Tradition stellt. (Aurel Schmidt, Basler Magazin) Ein Buch, das westdeutsche Wissenschaftsgeschichte machte. (Die Presse) Duerrs Irrationalismus führt uns allerdings auch nur in die Sackgasse. (Rüdiger Schott in Grundfragen der Ethnologie) Könnte man von Duerr nicht lernen, eine Diskussion witzig, gebildet und menschenfreundlich, das heißt: wie unter Erwachsenen zu führen? (Hans Platschek, Die Zeit) Der Leser, der ein Sensorium für die augenzwinkernde Schalkhaftigkeit der Selbstironie besitzt, wird sich immer wieder erheitert finden. (Urs Bitterli) Duerr ist unpathetisch, geisterweit entfernt von aller Sektiererei, gar nicht rechthaberisch und will niemanden erlösen. (Stern) Ein Buch, das sehr kokett, manchmal eitel, zweifellos arrogant und daher sehr unterhaltsam ist. (Eckhard Nordhofen, Frankfurter Allgemeine Zeitung) Ein in gutem Deutsch spannend geschriebener Essay, nicht ohne Witz und allerlei Hinter sinn. (Adolf Holl, Profil) Provokante Frechheit. (Rhein- Neckar-Zeitung) Ein unordentliches, unorganisiertes, schludrig geschriebenes, mit brillanten Aphorismen gespicktes und oft sehr lustig in schnoddriger Subkultursprache verfaßtes, enorm eitles und doch wieder dank seiner Offenheit sehr versöhnliches Buch. (Ernest Borneman) Akademisch sattelfest, aphoristisch, bibliophil,zauntranszendent, jenseits vom Jargon. (Gerhard Marcel Martin)
"Im vorliegenden Band versammelt Hans Peter Duerr Aufsätze und Interviews, die um das Thema Untergang und unterirdische Gänge kreisen. So schildert er die Suche nach der im Jahre 1362 während einer Orkanflut, der so genannten »Marcellusflut«, untergegangenen nordfriesischen Handelsmetropole Rungholt, deren Überreste er im Frühling 1994 gemeinsam mit seinen Bremer Studenten im Watt nördlich der Hallig Südfall gefunden zu haben scheint; beschreibt er die Suche nach einem sagenumwobenen Geheimgang, der vom Kellergewölbe eines mittelalterlichen Adelshofes in Heidelberg, der dem kurfürstlichen Leibarzt Dr. Münsinger gehörte, durch das Granitmassiv des Jettenbühl zum Schloß führen soll; und schließlich versucht er die Frage zu beantworten, ob der Untergang unserer Zivilisation im kommenden Jahrtausend nur Nachteile für die Menschen hätte."
Die Physik der Sitten und des Rechts hat zum Gegenstand ihrer Untersuchung die moralischen und juristischen Tatsachen. Bei diesen Tatsachen handelt es sich um sanktionsbewährte Verhaltensregeln. Die Wissenschaft hat zu klären: 1. wie diese Regeln im geschichtlichen Verlauf entstanden sind, das heißt, auf welche Ursachen sie zurückgehen und welche nützlichen Zwecke sie erfüllen; 2. wie sie innerhalb der Gesellschaft funktionieren, das heißt, auf welche Weise sie von den Individuen angewandt werden. Emile Durkheim
Mehr als ein Jahr – von April 1940 bis Mai 1941 – verbrachte Brecht, auf der Flucht vor Hitler und seinem Krieg, in Finnland. Wichtige Werke entstanden während dieser Zeit: das Volksstück Herr Puntila und sein Knecht Matti, die Exilsatire Flüchtlingsgespräche, die Naturlyrik der Steffinischen Sammlung und das politische Gangsterstück Der Aufstieg des Arturo Ui. Brecht in Finnland verbindet die Entstehungsgeschichte und Interpretation dieser ›großen‹ Werke mit Brechts literarischer Arbeit von Tag zu Tag: mit seiner erstaunlichen Annäherung an die Volkspoesie, seiner Tätigkeit als Übersetzer und mit der Arbeit an den Fragment gebliebenen aristophanischen Revuen. Hans Peter Neureuters biographische Erzählung zeigt den Exilanten Brecht aber auch in seinem Alltagsleben mit der Familie und mit Freunden in Helsinki und auf dem Landgut Marlebäck der Schriftstellerin Hella Wuolijoki, bei Kontakten mit finnischen Schriftstellern, Theaterleuten und Politikern sowie bei den zermürbenden Bemühungen um Einreisevisen in die USA, Transitvisen und Aufenthaltsgenehmigungen, Schiffsbillets und Bürgschaften. Nicht zuletzt geht es um die politische Situation des Landes, das kurz nach Brechts Abreise seinen zweiten Krieg gegen die Sowjetunion begann – an der Seite der deutschen Wehrmacht. Der vorliegende Text ist die überarbeitete Fassung der Habilitationsschrift Neureuters an der Universität Regensburg, wo er bis 2002 Neuere deutsche Literatur lehrte.
Alle »klassischen« Soziologen des 19. und 20. Jahrhunderts versuchten, die große Transformation von der vormodernen zur modernen Gesellschaft zu verstehen und zu erklären. Sie beschritten dazu neue theoretische wie methodische Wege und legten paradigmatische Analysen vor, die in zündenden Zeitdiagnosen gipfelten. Ihre Stichworte lauten: Demokratie (Tocqueville), Kapitalismus (Marx), Moral (Durkheim), Kultur (Simmel) und Rationalisierung (Weber). Krise und Kritik stellt die Deutungsversuche dieser Klassiker in fünf Porträts vor, bettet sie in allgemeine Überlegungen zur Moderne ein und zeigt, dass ihre Problemlagen noch immer die unseren sind.
Als Ende der sechziger Jahre Wolfgang Zapf seinen nunmehr klassichen Band über »Theorien sozialen Wandels« einleitete, konnte er auf das sich damals herauskristallisierende Paradigma der Makrosoziologie verweisen. Er stürzte sich – cum grano salis – methodisch auf einen strukturell-funktionalen Ansatz, theoretisch auf die Differenzierungstheorie und in der historisch-praktischen Anwendung auf die Modernisierungsforschung. Inzwischen hat sich dieses Paradigma aufgelöst und entlang der genannten Richtungen ausdifferenziert. »Paradigmatisch« läßt sich ein theoretischer Kern nicht mehr eindeutig identifizieren, sondern es können nur noch methodologische Minimalstandards dynamischer Analysen ausgewiesen werden. Ausgehend von modelltheoretischen Überlegungen (Neil J. Smelser und Gudmund Hernes), umfaßt der Band differenzierungstheoretische (Renate Mayntz), strukturationstheoretische (Anthony Giddens), kulturtheoretische (Margaret Archer), selektionstheoretische (Bernhard Giesen), bewegungstheoretische (Klaus Eder), populationsökologische (Michael Hannan und John Freeman) sowie institutionentheoretische (Tom R. Burns und Thomas Dietz) Ansätze.
»Ganz Unterschiedliches wird in diesem Briefwechsel verhandelt: Wissenschaftstheorie, Gesellschaftstheorie, Politik; es wird aber auch der Wissenschaftsbetrieb verhöhnt; ernst nehmen sich die Briefpartner, sie verfügen aber zugleich über den notwendigen Humor, sich und die Kollegen und den Wissenschaftsbetrieb auch in seinen selbstparodistischen Elementen wahrzunehmen.«
Hans-Peter Rodenberg ist Fernsehjournalist und Professor für Amerikanistik und Medienwissenschaft an der Universität Hamburg.