Band 21: Kolleghefte und Mitschriften
Als Georg Simmel 1900 einen Ruf als außerordentlicher Professor für Philosophie an die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität – die heutige Humboldt-Universität – erhielt, geschah dies gegen den erbitterten Widerstand des akademischen Establishments und antisemitisch gesinnter Kreise in der Politik. Dabei war die Berliner Universität Simmels Alma mater: hier hatte er studiert, promoviert und sich habilitiert; hier sollte er viele Jahre ohne Gehalt lehren und forschen, bis zu seiner Übersiedlung nach Straßburg, wo er wenige Jahre vor seinem Tod endlich Ordinarius für Philosophie wurde. Dennoch waren Simmels Berliner Jahre seine fruchtbarsten, in denen er nicht nur seine großen soziologischen Werke schuf, sondern durch seine aufsehenerregenden Vorlesungen zum Star der Universität avancierte. Kaum einer konnte so mitreißend über Logik, Ethik und Ästhetik lesen wie er, seine Kollegs gerieten mitunter zum gesellschaftlichen Ereignis und fanden großen Zulauf weit über akademische Kreise hinaus. Sie bildeten, wie sich Kurt Gassen 1958 erinnerte, »für jeden, der überhaupt von seiner Denk- und Darstellungsweise angesprochen wurde, immer die Gipfelzone des Semesters […]. In Simmels Kollegs lernte man nicht nur Gedankliches, man lernte denken, man erfuhr nicht nur von Geistigem, man erlebte unmittelbar Geist, erlebte das Wirken eines Geistes«.
Der Band versammelt 26 Mit- und Nachschriften von Simmels Vorlesungen, verfaßt unter anderem von Ernst Robert Curtius, Georg Heym, Edith Kalischer, Harry Graf Kessler, Adolf Löwe, Georg Lukács, Rudolf Pannwitz, Robert E. Park, Arthur Ruppin, Gottfried Salomon, Herman Schmalenbach, Kurt Singer und Margarete Susman. Sie geben zusammen mit zwei Kollegheften einen Einblick in Simmels Lehre, wie sie von einigen seiner Studenten rezipiert wurde, die später allesamt selbst Berühmtheit erlangen sollten.